Veranstaltung: | Landesparteitag |
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Tagesordnungspunkt: | Anträge |
Antragsteller*in: | Bruno Hönel (KV Lübeck), Rasmus Andresen (KV Flensburg), Simone Stojan (KV Lübeck), Jasper Balke (KV Lübeck) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 16.09.2019, 13:43 |
G 1: Evidenzbasierung bei digitalen Gesundheitsanwendungen – DVG im Sinne der Patient*innen überarbeiten
Antragstext
Evidenzbasierung bei digitalen Gesundheitsanwendungen – DVG im Sinne der
Patient*innen überarbeiten
Der Landesverband von Bündnis 90/ Die Grünen in Schleswig-Holstein begrüßt die
Gesetzesinitiative der Bundesregierung zum Digitalen Versorgungsgesetz (DVG).
Vor allem die Zielvorstellung wirksame und sichere digitale
Gesundheitsanwendungen erstattungsfähig zu machen wird vom Landesverband
unterstützt.
Das DVG garantiert, dass auch Menschen unabhängig von Ihrem Einkommen wirksame
digitale Versorgungsangebote in Anspruch nehmen können. Gleichwohl muss es unser
vordringlichstes Ziel sein dafür zu sorgen, dass das Digitale Versorgungsgesetz
sich an den höchsten Maßstäben wissenschaftlicher Evidenzbasierung und an den
Bedürfnissen der Menschen unabhängig von deren Einkommenssituation orientiert.
Das DVG darf kein Gesetz zu Wirtschaftsförderung mit Mitteln der Krankenkasse
werden.
Um das Patient*innenwohl zu garantieren muss demnach darauf hingewirkt werden,
dass keine Programme in das Verzeichnis für Digitale Gesundheitsanwendungen
(DiGA-Verzeichnis) aufgenommen werden dürfen, die nie in wissenschaftlichen
Studien untersucht worden sind. Es dürfen mit den Mitteln der Versicherten keine
Anwendungen finanziert werden, für die bisher kein gesicherter
Wirksamkeitsnachweis gebracht werden konnte und die damit schlimmstenfalls den
Patient*innen schaden könnten.
Bei der Einführung anderer Leistungen in den Katalog der Krankenkassen wird
zurecht gefordert und durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA)
sichergestellt, dass diese in randomisierten Studien ihre Sicherheit und
Wirksamkeit gezeigt haben. Dieser allgemein akzeptierte und sinnvolle Standard
wird in der momentanen Fassung des DVGs nicht erfüllt.
Vor diesem Hintergrund fordert der Landesparteitag die Landesregierung auf bei
den anstehenden Beratungen in den Fachausschüsse des Bundesrates darauf
hinzuwirken, dass das DVG um die Anforderung ergänzt wird, dass nur
Interventionen in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen werden, die ihre Wirksamkeit
auch in randomisierten Studien gezeigt haben.
Dabei müssen die anerkannten Prüfstandards für evidenzbasierte wirksame und
sichere Medizin zur Anwendung kommen, wie sie für digitale
Gesundheitsinterventionen von der DGPPN/DGPs Task-Force E-Mental-Health
formuliert wurden. Im Rahmen dessen ist zudem darauf zu achten, dass nur
digitalen Anwendungen in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen werden dürfen, die
barrierefrei gestaltet sind.
Zudem darf die Verordnung von digitalen Gesundheitsanwendungen nicht in der
Verantwortung der Krankenkassen liegen. Der Landesparteitag weist daher das
Vorhaben digitale Gesundheitsanwendungen ohne Verordnung durch eine Ärztin/Arzt
oder Psychotherapeutin/Psychotherapeuten, nur per Zustimmung der Krankenkassen
den Patient*innen zur Verfügung zu stellen (Artikel 1, Änderung SGB V, Nummer 3,
§ 33a) zurück. Stattdessen ist neben dem GBA die Expertise der Heilberufe
einzubeziehen, bei der Entscheidungen, ob ein Produkt sinnvoll und risikofrei
für eine Behandlung zugelassen und eingesetzt werden kann. Darüber hinaus ist
darauf hinzuwirken, dass es im Sinne der Unabhängigkeit den Krankenkassen nicht
erlaubt wird ihren Versicherten bestimmte Apps zu empfehlen; vor allem solche,
die sie selbst entwickelt haben.
Des Weiteren fordert der Landesparteitag die Landesregierung dazu auf im
Bundesrat darauf hinzuwirken, dass komplexe digitale Interventionen zur
Behandlung psychischer Erkrankungen im Gesetz stärker berücksichtig werden.
Digitale Interventionen haben das Potenzial, psychisch Erkrankte zu erreichen,
die bisher nicht den Weg in die Regelversorgung finden [1]. Es gibt eine
Vielzahl von Studien, welche die Wirksamkeit von Selbstmanagementinterventionen
zur Behandlung psychischer Erkrankungen belegen [2][3]. In diesem Sinne fordert
der Landesparteitag die Landesregierung dazu auf, darauf hinzuwirken einen von
kommerziellen Interessen völlig unabhängigen Zertifizierungsprozess für
Selbstmanagementinterventionen zu etablieren und im Rahmen des DGVs
festzusetzen. Wissenschaftliche Fachgesellschaften sind bei der Entwicklung der
Kriterien zu beteiligen.
Es ist darauf hinzuwirken, dass das Digitale Versorgungsgesetz die
Rahmenbedingungen dafür schafft, dass digitale Interventionen, deren
therapeutischer Nutzen in randomisierten Studien als ausreichend evidenzbasiert
beurteilt werden, in den Leistungskatalog der Kassen übernommen werden können,
so dass diese Interventionen zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung im
Rahmen der Regelversorgung verordnet werden können. Dabei ist insbesondere
darauf zu achten, dass Belange des Datenschutzes bei der Zulassung
entsprechender Anwendungen strengstens berücksichtigt werden. Persönliche
Patient*innendaten, gerade in der psychotherapeutischen Behandlung, sind
besonders schutzwürdig. Es muss daher der alleinigen Entscheidung der
Patient*innen obliegen, welche Daten elektronisch gespeichert werden und wer
darauf Zugriff erhält.
[1] Klein, J P, Knaevelsrud, C, Bohus, M, Ebert, D D, Gerlinger, G, Günther, K
et al. (2018): Internetbasierte Selbstmanagementinterventionen.
Qualitätskriterien für ihren Einsatz in Prävention und Behandlung psychischer
Störungen. In: Der Nervenarzt 89 (11), S. 1277–1286. DOI: 10.1007/s00115-018-
0591-4
[2] Kuester A, Niemeyer H, Knaevelsrud C (2016). Internet-based interventions
for posttraumatic stress: a meta-analysis of randomized controlled
trials.ClinPsycholRev 43:1–16
[3] Riper H, Blankers M, Hadiwijaya H et al (2014) Effectiveness of guided and
unguided lowintensity internet interventions for adult alcohol misuse: ameta-
analysis. PLoSONE9:e99912
Begründung
erfolgt mündlich
Unterstützer*innen
Zustimmung
- Lasse Bombien
- Thorsten Riedel
- Frank Thun
Änderungsanträge
- G 1.1 (Kirsten Bock (KV Plön), Eingereicht)
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